

Ein letzter Blick in die Kladde – alles ist gut vorbereitet. Hier stehe ich – als Frau, als Tochter, als Lebensgefährtin, als Freundin, als Theologin, als wissenschaftliche Mitarbeiterin, als Pfarrerin – und kann nicht anders! Ich will predigen, Gottes Wort verkündigen, glauben und zweifeln, trösten und Mut machen, aufrütteln und in Bewegung bringen – will mitwirken am Reich Gottes.


Knallrot – wie einst das Gummiboot
Voller Volumen
Mehrere Lagen Tüll
Er fällt
Ich lasse ihn fallen
Steige aus
Zurück
bleibt
ein
Kleid
mit blauen Punkten
und eine Rockabella ohne Petticoat.


Wer bin ich?
Wer bin ich – jetzt?
Wer bin ich – gleich?
Hinter dem Altar?
Unter dem Talar?
Auf der Kanzel?
Ich bin´s!
Ich bin immer noch ich...
...und doch bin ich anders.


Die Schuhe wechseln...
...und damit den Gang.
Leise
ohne Klackern
ohne weiblichen Hüftschwung.
Fast schreitend.
Bedächtig.


Andächtiges Gehen.
Mit leisen Sohlen.
Weil es um etwas anderes geht.
Nicht mehr um mich.
Sondern um dich – GOTT – du Geheimnis meines Lebens!


Ich trage ihn gern – meinen Talar!
Von Anfang an.
Nun gut – wir mussten uns schon aneinander gewöhnen. Wie gehen wir zusammen?
Wie sitzen wir gemeinsam?
Wann wird es uns zu heiß, wann frieren wir?
Aber inzwischen sind wir ein gutes Paar!
Mein Talar und ich.
Ich und mein Talar!
Er gibt mir Schutz! Vor anderen und vor mir selbst!
Es geht nicht um meine Eitelkeit, meine Schönheit, meine Weiblichkeit!
Es geht um Mehr! Um GOTT!
Mein Talar bedeckt, was ablenken könnte.
Er dient der Verkündigung des Evangeliums von der Gnade und Liebe Gottes und unterstreicht diese.


Komm her zu mir, mein Geliebter!
Lege dich um meine Schultern
und schütze mich!
Hilf mir,
mich
in
den
Dienst Gottes
und meiner Mitmenschen
zu
stellen.


Gott, komm zu mir,
dass deine Berührung mich segne,
ehe ich diesen Gottesdienst beginne.
Gott, fülle meine Seele
mit deiner Musik
mit deinen Worten
mit deiner Freude
mit deinem Frieden.
Sei mit mir in meinem Tun. Amen


„Lasst uns beten:
Hinter uns liegt ein voller Tag. Erfüllt sind wir hier, am Rande des Abends, am Rande der Nacht. Wir sind bewegt – von Begegnungen in dieser Woche, von schönen Erlebnissen, von neuen Erfahrungen und anderen Meinungen, von Traurigkeiten und innerem Protest, von Zweifel und Kraftlosigkeit und von frischen Ideen. Jetzt dürfen wir uns fallen lassen – bei dir, Gott! (...).“


„(...) Mit einer Rose aus Stein krönten die Steinmetze im Mittelalter ihren Bau als Zeichen der Vollkommenheit. Auch hier in unserer Kirche – sehen Sie dort oben (nach oben deuten)! Und so wundert es nicht, dass Johannes der Täufer als Schutzpatron der Steinmetze, Maurer und Zimmerleute gilt. Die Logen der Freimaurer*innen feiern bis heute das Johannisfest häufig groß in Verbundenheit mit dem Täufer als Rosenfest. (...).“


„(...) Da presste sich die Nachtigall noch fester gegen den Dorn, und der Dorn traf ihr Herz, und heiße Schmerzenspein durchfuhr sie. Und die wundervolle Rose färbte sich blutrot, gleich der Rose des östlichen Himmels. Blutrot war der Gürtel ihrer Blätter, und blutrot wie ein Rubin war das Herz. Aber der Nachtigall Stimme wurde schwächer, und ihre kleinen Flügel begannen zu zucken, und ein Flor legte sich über ihre Augen. Schwächer und schwächer tönte ihr Lied, und sie fühlte ein Ersticken in ihrer Kehle. Dann brach ein letzter melodischer Schrei aus ihr. (...).


Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
_pfarrwerdung II
Johannis
Gottesdienst in der Evangelischen Universitätskirche
19.06.2016
18:00